Kürzung der S4-Strecke zwischen Torgau und Leipzig: Kreistagsfraktionen kämpfen um Anschluss

Kürzung der S4-Strecke zwischen Torgau und Leipzig: Kreistagsfraktionen kämpfen um Anschluss

Die Entscheidung über das Schicksal der S-Bahn-Linie S4 bis Beilrode und Falkenberg ist zum Politikum geworden. Die Fraktionen im nordsächsischen Kreistag fürchten um Arbeitsplätze, Infrastruktur und die Attraktivität Ostelbiens – und wollen das drohende Aus nicht hinnehmen.

Beilrode. Die geplante Kürzung der S-Bahnlinie S4 sorgt für Proteste in der Region. Ab 2026 soll die Verbindung nicht mehr von Leipzig bis Beilrode und Falkenberg/Elster führen, sondern nur noch bis Torgau. Laut Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) seien finanzielle Gründe ausschlaggebend.
Während die Bürgermeister von Arzberg, Beilrode, Falkenberg/Elster, Herzberg, Torgau und Bad Liebenwerda bereits eine Resolution verfasst haben, um gegen die Entscheidung anzukämpfen, melden sich nun auch Parteien aus Nordsachsen kritisch zu Wort.

Schlechtere Verbindungen nach Leipzig, Dresden und Berlin
Wie die CDU: „Bereits die Einführung des Deutschlandtickets durch die Ampelregierung habe ich skeptisch gesehen, da allein diese steuerfinanzierte Maßnahme nicht zu mehr Angeboten im ländlichen Raum führt. Die Steuerzahler in Nordsachsen und in anderen ländlich geprägten Regionen finanzieren somit ein vergünstigtes Monatsticket in den Ballungsräumen und Großstädten“, bemängelt die nordsächsische Bundestagsabgeordnete Christiane Schenderlein.
Wie sich die Situation nun darstellt, führen Regionalisierungsmittel in nicht ausreichender Höhe – aufgrund insgesamt gestiegener Kosten – sogar zu einer Angebotsreduzierung an manchen Stellen, erklärt sie. Für die Anbindung von Ostelbien an Leipzig und für die gesamte Region um Torgau führen diese Pläne zu schlechteren Verbindungen nach Leipzig, Dresden und Berlin.
„Dies sehe ich als klaren Verlust von bisherigen Standortvorteilen an. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel stellen solche Reduzierungsentscheidungen andere bereits umgesetzte und geplante Maßnahmen, wie den Park-and-Ride-Platz in Beilrode, den Ausbau des alten Bahnhofgebäudes in Beilrode und selbst den Glascampus in Torgau vor massive Herausforderungen“, beschreibt Schenderlein.
Es seien genau diese Entscheidungen der aktuellen Bundesregierung, die mit wenig Weitblick für die Auswirkungen in unserer Region im fernen Berlin getroffen werden. „Noch ist etwas Zeit bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2026 und eine Bundestagswahl liegt dazwischen. Wie mir versichert wurde, kann bei ausreichender Finanzierung jederzeit die Entscheidung für die weitere S-Bahn-Streckenführung in bisherigem Umfang umgesetzt werden. Daran müssen wir gemeinsam auf allen Ebenen arbeiten“, betont Schenderlein.

Standortvorteile fallen weg
Auch SPD/Grüne protestieren. Die S-Bahn-Strecke von Torgau bis Falkenberg mit Halt in Beilrode müsse mit stündlicher Taktung dringend erhalten bleiben, fordert der Fraktionsvorsitzende von SPD/Grünen im Kreistag Nordsachsen, Heiko Wittig. Für die Gemeinden Arzberg und Beilrode mit fast 6000 Einwohnern sei der S-Bahn-Halt Beilrode gerade in der strukturschwachen ostelbischen Region der bedeutendste Standortvorteil. „Im Kreisentwicklungskonzept hat der Kreistag zum Thema Mobilität als wichtigstes strategisches Ziel beschlossen, alle Regionen Nordsachsens durch ein qualifiziertes ÖPNV-Netz zu erschließen. Die Entscheidung gegen die Fortführung der S-Bahn-Linie in Ostelbien steht sowohl dem Beschluss als auch den Bedürfnissen der Bevölkerung entgegen“, stellt Wittig unmissverständlich fest.
„Hinzu kommt“, so Wittig, „dass die Gemeinde Beilrode rund um den Haltepunkt wesentliche Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur geschaffen hat.“ Doch nicht nur die Ostelbier wären vom Wegfall der Verbindung betroffen, sondern auch die Torgauer und andere Nutzer der S-Bahn nach Falkenberg, wo der dortige Knotenpunkt ausgebaut und die Anbindung nach Berlin deutlich verbessert werden soll. „Der Schließungsbeschluss des S-Bahn-Anschlusses von Torgau nach Falkenberg muss korrigiert werden“, erklärt Wittig. Der Kreistag habe hier als Mitglied des ZVNL dringend fraktionsübergreifend Stellung zu beziehen, so der Fraktionschef.

Entwicklung kommt mit Ansage
Auch die AfD meldet sich zu Wort. „Selbstverständlich haben unsere direkt gewählten Abgeordneten, MdB Bochmann, MdL Wiedeburg und ich die Meldung zu den geplanten ÖPNV-Angeboten in Beilrode kritisch zur Kenntnis genommen. Aus unserer Sicht eine logische Konsequenz, weil an allen Ecken Geld fehlt, aber die Kosten pro Zugkilometer in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen sind“, so der stellvertretende Kreisvorsitzende Tobias Heller, zugleich Mitglied im Landtag. Als Beispiel seien Personal, Energie, Infrastruktur, Ersatzteile oder Ersatzverkehre genannt.
„Diese Entwicklung kam mit Ansage und man hätte ihr schon viel früher begegnen müssen, denn Vorschläge lagen von uns bereits vor, um gegenzusteuern“, meint Heller. Darüber hinaus sei weder auf Bundes- noch auf Landesebene ein Wille der Altparteien zu Reformen und damit zu einem attraktiven und flächendeckenden Nahverkehr vorhanden. Man investiere zum Beispiel stur in batterieelektrische Züge, auch wenn diese auf nur wenigen Strecken unseres Netzes die wirtschaftlichste Lösung darstellen. „Deshalb halten wir es für unangebracht, bei den Problem-Verursachern Hilfe einzufordern“, stellt der Vize-AfD-Kreischef fest.

ZVNL will Kostensteigerungen vermeiden
Dennoch müsse dem ZVNL zugutegehalten werden, dass man bei den Ausschreibungen massive Kostensteigerungen vermeiden wollte, um so wenige Fahrgäste wie möglich mit Fahrplanänderungen zu konfrontieren. „Es braucht aus unserer Sicht einen eng getakteten und flächendeckenden ÖPNV, um wirklich ein Angebot zur individuellen Mobilität gerade im ländlichen Raum zu bieten. Reformen dürfen allerdings nicht wieder am Ende allein durch die Autofahrer finanziert werden“, sagt Heller.

Nutzerzahlen von rund 80 pro Tag kritisch
Dr. Michael Friedrich nimmt für Fraktion der Linkspartei Stellung. „Die S4-Verbindung bis Falkenberg muss bleiben, auch wenn gegenwärtig die Nutzerzahlen von rund 80 pro Tag rein betriebswirtschaftlich kritisch, ja unbefriedigend sind. Im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse im benachteiligten, abgehängten Ostelbien wäre diese wichtige S-Bahn ein notwendiger Nachteilsausgleich, so auch vorgesehen im Kreisentwicklungskonzept, um Ärzte, Pädagogen und generell junge Familien für Beilrode, Arzberg usw. interessant zu machen.“

Bild & Text: Torgauer Zeitung vom 19.10.2024